Ein Fallbeispiel aus der Praxis!

Geschrieben von Hihi Bamarny

Was bedeutet es, sich als junge Familie in einem fremden Gesundheitssystem zurechtfinden müssen? Wie finden Zugewanderte Orientierung im Angebot und wo Hilfe, Unterstützung und Rat?
Seit Ende November 2011 betreue ich Frau Y. von der ich hier gerne berichten möchte. Von der zuständigen Behörde wurde ich angefragt, ob ich bereit wäre, die Begleitung für Frau Y. (31) zu übernehmen.

Die zuständige Behörde teilte mit, dass Frau Y. in einem Übergangswohnheim der Stadt lebe. Frau Y. ist ein „Kontingent-Flüchtling“, kommt aus dem Nordosten Afrikas und hat 2 Kinder (10 und  8 Jahre).
Der Erstkontakt findet im vertrauten Wohnumfeld von Frau Y. statt. Da sich Frau Y. der Situation
allein nicht gewachsen fühlt, ist die zuständige Mitarbeiterin der Einrichtung beim Gespräch dabei.
Frau Y. begegnet mir freundlich, aber distanziert. Es fällt auf, dass ihr die Situation unangenehm ist. Um ihr die Anspannung zu nehmen, teile ich ihr mit, dass sie mir nicht nicht ihre Lebens- und Fluchtgeschichte erzählen muss. Daraufhin erläutere ich ihr umfassend, welche Aufgaben ich in Zukunft übernehmen könnte. Dazu gehören: Begleitung bei Unterhaltsforderungen, Anmeldung bei der Schule, Sprachkurs, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Befugnis zum Empfang von Post, da Frau Y. in einem Übergangswohnheim lebt.

Nach Anleiten der Behörden schlage ich ihr vor, sie im Rahmen des Aufgabenkreises Wohnungs-angelegenheiten bei der Suche nach einer geeigneten Wohnform zu unterstützen. Frau Y. erklärt, dass sie sich in ihrer jetzigen Wohnform unwohl fühle, zumal sie vorher lange Zeit eine kleine Wohnung bewohnt habe. Außerdem verstehe sie sich mit ihrer Zimmermitbewohnerin nicht gut.

Da meine Aufgabe sich auf den Bereich Gesundheitsfürsorge bezieht, schlage ich vor, mich mit ihr um eine geeignete Psychiaterin für ihren Sohn zu kümmern und sie zum Erstgespräch zu begleiten. Dies würde sie gerne in Anspruch nehmen wollen. Zusätzlich möchte sie, dass die Termine zukünftig über mich laufen. Ich teile ihr mit, dass dies kein Problem darstellt.

Heute, fast sechs Monate später, betreue ich sie nach wie vor. Frau Y. lebt inzwischen seit fast zwei Monaten in einer eigenen kleinen Wohnung, die sie liebevoll gestaltet hat. Meine Aufgabe war es in diesem Fall den Kontakt zu potenziellen Vermietern aufzunehmen, Besichtigungstermine mit Frau Y.
zu vereinbaren, sie bei der Schlüsselübergabe zu begleiten und die nötigen Anträge auf Erstaus-stattung und Übernahme der Kaution beim Jobcenter zu stellen. In der ersten Phase nach dem Umzug wurden mit Frau Y. alle Ummeldeformalitäten erledigt. Hierzu gehörten auch die Anmeldung beim städtischen Stromanbieter sowie das Anschreiben der Institutionen mit Bekanntgabe der neuen Anschrift.

Heute lebt sie, mit wenigen Ausnahmen, ein Leben ohne intensive Unterstützung. Sie ist nun viel selbstständiger und kann vieles alleine regeln. Sie ist jetzt über das System in Deutschland besser informiert und kann sich besser integrieren und eigenständiger leben.

Auch die Anbindung an einen niedergelassenen Psychiater für den Sohn ist gelungen. Nachdem zwei
Erstgespräche bei verschiedenen Ärzten nicht erfolgreich verlaufen sind, konnte Frau Y. zu dem dritten Arzt eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen.

Frau Y. nimmt ihre Termine inzwischen eigenverantwortlich und regelmäßig alleine wahr. Soweit das Beispiel von Frau Y., an dem ich einige Merkmale der Begleitung von Flüchtlingen exemplarisch aufgezeigt habe. Ich erlebe die tägliche Arbeit als Sprach- und Integrationsmittlerin als vielseitig und anspruchsvoll verbunden mit einem hohen Maß an Verantwortung.

Hivi Bamarny
(Sprach und Integrationsmittlerin)

*der Name wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert