Dolmetschen in der Palliativstation*

Geschrieben von Helim Yusiv

Obwohl ich mich immer über eingehende Aufträge freue, u. a. deshalb, weil mit jedem Auftrag die Notwendigkeit für den Beruf des Sprach- und Integrationsmittlers unterstrichen wird, gibt es auch Aufträge, die mir ein wenig Sorge bereiten. Der Einsatz auf der Palliativ-Station einer Kinderklinik  in der Stadt Datteln kurz vor Weihnachten war so einer. Ich sollte zwischen einer kurdisch sprechenden Familie, deren einjähriger Sohn in der Palliativstation lag, und den Fachkräften der Station vermitteln.

Bevor ich den Auftrag bestätigte, musste ich erst in mich gehen und vor meinem eigenen persönlichen Hintergrund beantworten, wie sehr mich dieser Einsatz berühren würde und ob es mir gelänge die berufsethisch vorgegebene Neutralität zu wahren? Nach einer kurzen Zeit des Überlegens habe ich den Einsatz bestätigt.

Während des Vorgesprächs habe ich aktuelle Informationen über die Familie und deren Vorgeschichte erhalten: Die Familie K. kam vor etwa vier Jahren aus der kurdischen Region des Irak nach Deutschland. Nach der Einreise wird die Asylberechtigung die Familie nach kurzer Zeit anerkannt. Frau K. bringt sieben Kinder auf die Welt. Drei sterben im Irak. Jetzt lebt die sechsköpfige Familie in Hagen*. Der jüngste Sohn Z. ist ein Jahr alt und das einzige Kind, das in Deutschland geboren wurde. Z. liegt seit August 2012 in der Palliativstation. Der älteste Sohn A., 16 Jahre alt, dolmetscht zwischen seiner Familie und den Fachkräften bereits seit Beginn des Aufenthaltes seines Bruder Z. in der Palliativstation. Im Vorgespräch berichtet eine Fachkraft außerdem, dass sie auf professionelle Vermittler zurückgreifen möchten:  Sie hätten festgestellt, dass die Familie auf weitergebene Informationen nicht in der Weise reagierte, wie es aufgrund der gegebenen Informationen zu erwarten gewesen wäre.

So wurde zum Beispiel während des Gesprächssettings (Familie, Fachkräfte und SprInt), dass die Familienmitglieder die Äußerung: „Zwei Fahrten im Monat nach Hause und wieder zurück wird gegen Abgabe der Fahrkarte erstattet. In der Zeit, wo sie von Ihrem Sohn fernbleiben, wird für zwei Personen, Bekannte des Kindes, weiterhin Unterkunft gewährt“ so verstanden,  dass dieFahrten nach Hause und wieder zurück erstattet werden und mit ihnen dürften auch weitere Personen in der Klinik bleiben. Im Verlauf des Gespräches wurde das ganze Ausmaß des bisherigen unvollständigen Informationsaustausches offenbar und wir konnten diesen beseitigen. Die Klärung  von Verhaltensmustern z.B. wie man im Irak mit Dokumenten (in diesem Fall Fahrkarten) umgeht oder wie der Besuch und die Besuchszeiten von einem Schwerkranken aussieht, ist i.d.R. eine andere als hier in Deutschland, führte zu einer besseren Verständigung und Wertschätzung für beide Seiten. Die Einsätze finden nach wie vor statt und für die erleichterte Kommunikation sind beide Parteien sehr dankbar.

Fazit: Dieser Einsatz erzielte eine tatsächliche Erleichterung des Dialogs zwischen den Fachkräften und den Eltern des einjährigen Patienten Z. Besonders erfreulich ist für mich dabei, die eingetretene Entlastung für den ältesten Bruder A. Er muss nicht mehr für seinen im „Sterbebett“ liegenden Bruder Z. dolmetschen. Er ist zwar nach wie vor bei jedem Setting anwesend, aber als betroffener Familienangehöriger und nicht als „neutraler“ Dritter.

*Name und Wohnort der Familie wurde geändert.